Der schwedische Autor Mikael Niemi tourte durch Deutschland um sein neues Buch “Die Flutwelle” vorzustellen und meine Freundin Andrea und ich waren live dabei. Ein echtes Erlebnis! Aber meine genzenlose Sympathie hatte er so oder so schon, zum einen liebe ich das Buch “Populärmusik aus Vittula” und zum anderen wohnt er gerade mal 100 km von Alakylä entfernt, quasi direkt ums Eck. Also habe ich meine Freundin Andrea gebeten unvoreingenommen etwas über diesen Abend in der Münchner Buchhandlung Isarflimmern zu schreiben…
Niemi schreibt seine Bücher oft ohne Storyline, dafür mit Blick auf den Fluss vor seinem Arbeitszimmer, der unreguliert dahinströmt. Hier hat er Krimis, Lyrik und den aktuellen Katasprophenroman geschrieben, und auf die Frage des Moderators, wie es zu einer so großen Bandbreite in seinem Werk kommt, antwortet Niemi: “In the north we are more divers.” Aha, mehr Persönlichkeitsbandbreite also. Es gebe einfach nicht so viele Autoren, weshalb mehr Platz bleibe, den jeder mit seiner Fantasie füllen könne. Wie sein Leben in dem nordschwedischen 200-Seelen-Ort Pajala an der Grenze zu Finnland aussieht, in dem er seit seiner Kindheit lebt? “I go fishing, I grow potatoes, I lead a simple life.” Am Ende der Saison ist die Kühltruhe zudem mit 30-40 Kilo Elchfleisch gefüllt, von ihm selbst erjagt, möglicherweise in seinem eigenen Wald, den er sich von den Einkünften seines Erfolgsroman “Populärmusik aus Vittula” gekauft hat. Seitdem hat er ein weniger schlechtes Gewissen, wenn er auf Lesereise durch die Welt fliegt, wegen des CO2-Ausgleichs. Überhaupt wirkt Niemi, der sich in einem gutsitzenden dunklen Anzug gut gelaunt durch den Abend plaudert, wie ein zufriedener Mensch. Er gibt in leichtem Ton Auskunft über die einfachen und schweren Dinge im Leben eines Autors und lässt dabei ganz ohne Pathos Sätze fallen wie: “Die größte Lüge der westlichen Welt ist die Behauptung, materielle Dinge hätten keine Bedeutung.” Oder “Alles, was uns umgibt, wird eines Tages verschwinden – auch wir.” Diese Sichtweise trägt anscheinend dazu bei, das Leben zu genießen, während man es noch hat. Und so lässt sich Niemi am Ende des Abends nicht lange bitten, ein finnisches Liebeslied vorzutragen, traurig und süß zugleich. Denn Singen tut er auch gern. Sein Akkordeon oder die Gitarre, die bei geselligen Abenden im hohen Norden oft dabei sind, haben aber nicht mehr ins Gepäck gepasst.
Fotos: Dan Norra, Michaela Fuchs
Die Flutwelle von Mikael Niemi
Hoch oben im Norden Schwedens regnet es schon fast den ganzen Herbst.
Und dann zeigen sich im obersten Staudamm des Lule älv tatsächlich
Risse. Keiner kann sich vorstellen, dass er brechen könnte. Doch dann
geschieht genau das – die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Das Wasser kommt in gigantischen Massen. Ein Tsunami im eigenen Land. Inmitten des Infernos eine Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein
könnten und die nun aufeinander angewiesen sind, wollen sie überleben:
Der Hubschrauberpilot, der kurz vor einem Selbstmord stand. Die
Künstlerin, die mit ihrer Malgruppe in den Wäldern umherstreift. Die
Schwangere, die an einen Schornstein geklammert um ihr Überleben kämpft und von einem anderen Schiffbrüchigen ins Boot gezerrt wird. Zwei Ingenierinnen, die schon lange vor der Gefahr gewarnt haben. Sie alle
stehen vor einer gewaltigen Herausforderung: Sie kämpfen nicht nur ums
Überleben, sondern auch um ihre eigene Menschlichkeit …
btb Verlag
Originaltitel: Fallvatten
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag,
320 Seiten
ISBN: 978-3-442-75401-4
19,99 Euro